Fundación Inti Phaj’si

Fundación Inti Phaj’si

Haus der Fundación

Im distrito 8, dem wohl größten Stadtteil im Herzen der bolivianischen Millionenstadt El Alto, liegt die Fundación Inti Phaj’si. Der Name stammt aus dem Aymara und Quechua, zwei Sprachen der indigenen Bevölkerung Boliviens, und bedeutet übersetzt Mond und Sonne.

Das Zentrum der Organisation, ein mehrstöckiges Haus, gelegen an der Verkehrsachse der Stadt, hat sich in den letzten Jahren zu einem Anziehungspunkt für Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil entwickelt. Der Stadtteil gehört zu den vergessenen und ökonomisch benachteiligten Vierteln der Stadt. Neben dem Inti Phaj‘si gibt es keine Anlauforte für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen. Es bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich gemeinsam zu organisieren, selbstbestimmt eigenen Interessen nachzugehen und sich Räume den eigenen Bedürfnissen entsprechend anzueignen. Die politische Vision besteht langfristig darin, Jugendliche in ihrer Persönlichkeit und ihrem politisch-sozialen Bewusstsein dahingehend zu stärken, dass sie in Zukunft selbst gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und die Interessen der jungen und arbeitenden Bevölkerung El Altos innerhalb von Gewerkschaften und weiteren Interessenverbänden vertreten können.

El Alto – Distrito 8

Vor 15 Jahren haben 4. Aktive aus der kulturellen und politischen Bildungslandschaft mit Stadtteilarbeit im districto 8 begonnen, von denen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei geblieben sind, welche die Hauptverantwortung tragen. Von schulergänzend-pädagogischer Begleitung der Kinder und Jugendlichen des Viertels, über interkulturelle Bildungsreisen in die ländlichen Gemeinschaften des altiplanos (=Andenhochland), Produktion eigener Radiosendungen, Beteiligung an der Lokalpolitik und politisch-kultureller Bildungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen haben sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Arbeitsbereiche herausgebildet, die sich in ständiger Entwicklung befinden.

Die Angebote in den eigenen Räumlichkeiten richten sich schwerpunktmäßig an Kinder und Jugendliche im Alter von 7-20 Jahren und finden wöchentlich an festen Terminen statt. Darüber hinaus werden einzelne Workshops außerhalb des Projektes für Eltern und Fachkräfte angeboten. Früchte der jahrelangen Arbeit im Viertel sind auch die vielen Jugendlichen, die nun selbst Teil des Teams im Inti Phaj‘si geworden sind, welches die Arbeit organisiert und durchführt. Das Team besteht aus 15 Mitarbeiter*innen, von denen der Großteil mittlerweile studiert bzw. kurz davor steht und bereits viele Erfahrungen in der politischen und pädagogischen Arbeit im Inti Phaj‘si sammeln konnte. Die Arbeit ist aufgrund der prekären finanziellen Situation des Projektes größtenteils ehrenamtlich und der Entschädigungsaufwand geht daher kaum über das Fahrtgeld hinaus. Das Inti Phaj‘si erreicht mit seiner Arbeit jährlich mehrere hundert Kinder und Jugendliche. Es werden sowohl Aktivitäten innerhalb der eigenen Räumlichkeiten als auch auf öffentlichen Plätzen und an Schulen angeboten.

Arbeitsschwerpunkte

Musik- und Tanzworkshop im Inti Phaj’si

Das Herzstück bildet die Escuela de la memoria colectiva (=Schule des kollektiven Gedächtnisses). In ihr werden Themen verhandelt, die im Bezug zur Vergangenheit und Gegenwart stehen. Zwischen der spezifischen regionalen Erfahrung der größtenteils indigenen Bevölkerung El Altos und der allgemeinen Erfahrung auf globaler Ebene wird kontinuierlich der Frage nachgegangen, welche Lehren, Ideen und Handlungsspielräume wir aus der Auseinandersetzung mit Geschichte und unserer Erinnerung daran gewinnen können. Die thematische Bandbreite beinhaltet die Beschäftigung mit Extraktivismus und kolonialer Kontinuitäten, Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt, Geschlechterungerechtigkeit, Aufarbeitung der Militärdiktaturen, Indigene Kultur und Kosmovision sowie Arbeit, Jugend und Landflucht.

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist außerdem die gemeinsame Begegnung durch Tanz, Theater, Musik sowie weiteren, künstlerischen Ausdrucksformen. Hierbei wird eine kulturelle Selbsterfahrung ermöglicht, in der die Kunst als ein Werkzeug fungiert, das bei der Auseinandersetzung mit der alltäglichen Realität behilflich ist.

Darüber hinaus veranstaltet das Inti Phaj’si eine Vielzahl von Workshops, die sich mit den unterschiedlichsten Themenbereichen beschäftigen und ebenfalls für Eltern und Fachkräfte angeboten werden. Es gibt ein basisdemokratisches Entscheidungsgremium, in dem der Arbeitsalltag organisiert und reflektiert wird. Das regelmäßige Senden einer von Jugendlichen in Eigenregie produzierten Radiosendung ist ebenfalls Teil der Aktivitäten, die im Inti Phaj‘si organisiert werden.

Auf lokaler Ebene arbeitet das Inti Phaj‘si mit anderen kulturellen und politischen Akteuren in El Alto und La Paz zusammen. Dazu zählen freie Radios, Produktionsgenossenschaften, Kultur- und Stadtteilzentren sowie politische Basisgruppen.

Theaterkurs für Kinder aus den umliegenden Schulen

Seit der Gründung der Cultura Viva Comunitaria im Jahr 2013 kooperiert die Fundación Inti Phaj‘si aktiv mit anderen lateinamerikanischen Organisationen. Das Netzwerk versteht sich als Plattform und Sprachrohr zugleich und erstreckt sich von kulturellen Organisationen über Gewerkschaften, Assoziationen bis zu einzelnen Aktivist*innen aus 12 lateinamerikanischen Ländern. An ständig wechselnden Orten findet zwei Jahre ein Kongress statt, der als Plattform für Austausch und Diskussion sowie gemeinsamer Vernetzung dient. Daraus hervorgegangen sind in den letzten Jahren unter anderem politische Forderungen nach besserer staatlicher Förderung (1% des BIP) im kulturellen Bereich.

Das Inti Phaj‘si verfügt über keine Regelfinanzierung, sondern ist auf projektgebundene Förderung angewiesen. Aufgrund der kaum vorhandenen Förderlandschaft bzgl. politischer und kultureller Bildungsarbeit innerhalb Boliviens spielt die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland eine sehr wichtige Rolle. Hinzu kommt, dass die staatliche Förderung mit einer politischen Treue verbunden ist, was eine solche Förderung verunmöglicht, da das Inti Phaj‘si seine politische Unabhängigkeit und den damit verbundenen sozialkritischen und emanzipatorischen Anspruch der eigenen Arbeit nicht aufgeben möchte.